Informationen zur Corona-Problematik in unserem indischen Projekt

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Als ich am 8. März meinen diesjährigen Frühjahrsaufenthalt in Indien beendete, war im Umfeld unseres Projektes noch kaum etwas von der Corona-Problematik zu spüren. Das änderte sich schlagartig eine Woche später. Unsere Schule wurde geschlossen, und einige Tage darauf wurde es unseren Kindern ebenso verboten, zum täglichen Mittagessen zu kommen. Ab dem Mittag des 23. März hat die Regierung eine dreiwöchige Ausgangssperre angeordnet, die von der mit Knüppeln bewaffneten Polizei sofort harsch durchgesetzt wurde und wird.    (bitte "Weiterlesen" anklicken)

Die Konsequenzen dieser Ausgangssperre sind furchtbar.   

Alle Eltern unserer Kinder sind Tagelöhner, das heißt, sie leben von der Hand in den Mund. Ersparnisse haben sie keine. Sie brauchen täglich Geld für das Essen, das sie aber nur außerhalb der Hütten durch körperliche Arbeit verdienen können.

Die Väter, so es sie in den Familien gibt, verdienen Geld z. B. als Rikscha-Fahrer oder Lastenträger. Das ist jetzt über Wochen auf den leer gefegten Straßen nicht mehr möglich. Die Mütter, so sie Arbeit haben, sind zumeist Hausangestellte. Auch sie können ihre Arbeitsstelle nicht mehr erreichen und würden in vielen Fällen von ihren Arbeitgebern aus Angst vor Ansteckung auch nicht mehr toleriert werden.

Wovon aber sollen die Familien jetzt leben?

Bei der mit grober Gewalt durchgesetzten Ausgangssperre darf niemand - mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne zum Einkaufen in den Morgenstunden - die Hütten verlassen. Da hocken dann 8 oder mehr Menschen in den 10 oder 15 m² kleinen Behausungen beieinander und hungern. Die soziale Belastung und die daraus resultierende Gewalt unter den Familienmitgliedern als Folge der Enge sind kaum vorstellbar. Die Aussichtslosigkeit verstärkt sich aufgrund des drohenden Hungers, der mehr Unheil anzurichten vermag als das Coronavirus.

Da unsere Kinder nicht mehr zum Mittagessen kommen durften, hatten wir beschlossen, an die Familien Nahrungsmittel zu verteilen. Am Vormittag des 23. März - zum Glück gerade noch vor der plötzlich angeordneten Ausgangssperre - erhielten alle Familien Reis, Dal, Kartoffeln, Zwiebeln etc. Dieser Vorrat ist jetzt allerdings aufgegessen.

Inzwischen haben wir der indischen Projektleitung eine größere Summe bereitgestellt, damit die Familien weiterhin mit Lebensmitteln versorgt werden können. Das funktioniert so, dass jede Familie einen Gutschein erhält, mit dem sie in bestimmten Geschäften die Nahrungsmittel einlösen können. Die Verteilung der Gutscheine erfolgte weitestgehend durch ältere bzw. ehemalige Projektkinder. Dabei mussten sich vor wenigen Tagen zwei Jungen beim Gang von Haus zu Haus vor der Polizei verstecken, da sie sonst Prügel bezogen hätten.

Alle Familien haben am 2. und 3. April ihre Gutscheine erhalten.

Wir bereiten uns darauf vor, dass die Ausgangsperre - und damit die verordnete Hungerperiode - verlängert werden wird, denn die Ausbreitung von Covid 19 in Indien befindet sich erst in der Anfangsphase.

 

Der plötzliche Stopp aller Linienflüge von und nach Indien hat unsere beiden deutschen Volontäre sowie ein deutsches Ehepaar, das schon seit Jahren regelmäßig im Frühjahr unser Projekt besucht, überrascht. Der Ehemann ist als Kinderarzt und Kinderpsychiater eine große Hilfe für unsere Projektkinder. Ihn trieb seine berufliche und private Situation schnellstmöglich wieder zurück nach Deutschland, während die Volontäre sich lange Zeit weigerten, ihre Aufgabe für das Projekt zu verlassen. Erst massiver Druck seitens der deutschen Entsendeorganisation und ein rasch zunehmendes aggressives Verhalten einzelner Inder, die die westlichen Ausländer für die Einschleppung des Coronavirus nach Indien verantwortlich machen, haben letztendlich die Rückreise auch der Volontäre erzwungen (ein Bericht dazu finden Sie ebenfalls hier auf unserer Website). Alle vier konnten am 24. März mit dem letzten Linienflug von Kolkata nach Delhi gelangen, von wo aus sie am 26. März mit einer Chartermaschine der Bundesregierung nach Frankfurt ausgeflogen wurden.

Wir sind unserem indischen Team, aber besonders auch den Projektkindern, die sich ohne Rücksicht auf sich selbst der Aufgabe gestellt haben, nicht nur sehr dankbar, wir sind auch stolz auf sie!

Sie geben jetzt im umfassenden Sinn etwas zurück, was sie selbst an Hilfe einmal empfangen haben. Das ist ein großartiges und ein wichtiges Ergebnis unserer Arbeit.

Im Namen des Vorstandes grüßt Sie herzlich
  Ihr H. Meyer-Hamme