Moritz ist auch da:)

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Wanja et moi im Oxford Bookstore

Ankommen. Ein Begriff der auf zwei Arten verstanden werden kann. Einmal gibt es natürlich das physische „an einem Ort Sein“, aber das eigentlich wichtige ist das mentale Ankommen an einem Ort und in der Umgebung.

Ich bin Moritz und komme aus Lübeck. Ich bin nun seit fast zwei Monaten als Volunteer zusammen mit Wanja, der ein wenig früher als Ich hier ankam und sich ja auch schon vorgestellt hat, in Tikipara.

Ich finde man kam sehr schnell physisch hier an, aber um richtig „da“ zu sein brauchte es schon ein bisschen. Am ersten Tag bin Ich nach zwei Stunden erstmal schlafen gegangen und habe Garnichts geschafft. Am zweiten Tag war Ich aber dann schon wacher und fühlte mich ein bisschen sicherer. Die ersten Tage war alles sehr neu, anders, bunt, laut, dreckig und aufgewühlt und ein bisschen ist es nach, nun fast zwei Monaten, immer noch so.

Es ist aber großartig, wie schnell man kleine Läden findet, in denen man die Sachen bekommt, die man wollte und sich merkt, wo diese sind. Es ist hier ja nicht wie in Lübeck, wo man neben einem Karstadt eine Apotheke, einen Frisör und ein Kino findet, sondern es gibt innerhalb von 10 Metern 8 verschiedene Läden, die so schön verwinkelt und vollgestopft sind, wie man es aus Zauber-/Magiefilmen kennt. In manchen Läden ist gerade so viel Platz, dass der Mann, der die Sachen verkauft Platz für seinen Stuhl hat. Alles andere ist vollgestopft mit Sachen und Essen. Um an manche Sachen zu kommen muss er über die Regale klettern und in einem Haufen von Tüten und Gefäßen suchen, was du erfragt hast. Schon schön manchmal. Allerdings sind die meisten Läden auch sehr dreckig, wie alles hier. Ich komme ja eigentlich vom Dorf und bin ja gar nicht unbedingt eine Person, die alles immer komplett aufgeräumt und sauber braucht und obwohl ich schon viele dreckige Häuser gesehen habe, hat mich das alles hier schon sehr überrascht. Selbst in der eigentlichen Wohnung, in der wir sind, ist es viel improvisierter und auch dreckiger als ich dachte. Dachte ich anfangs. Allerdings geht es im Vergleich zum Viertel noch ziemlich und wir können es ja auch ein bisschen so gestalten, wie wir es gerne hätten.

Auf der Straße hat mich auch echt beeindruckt und auch ein bisschen fröhlich gemacht, dass die Leute viel einfallsreicher sind als man es aus den deutschen Städten kennt. Ich habe ja schon einen Unterschied von Dorf zu Stadt in Deutschland gemerkt, aber wie die Hütten und Stände, in denen etwas verkauft wird hier aufgebaut sind, ist eigentlich schon schön. Da ist es nicht wie in Deutschland, wo der Ladenbesitzer sagen würde: „Jooaaa da brauch ich ´ne 10ner Schraube und ein Brett mit 2cm Dicke“ sondern er guckt halt in irgendeiner Kiste, die man im Lager hat nach einer Schraube die irgendwie passt und nach einem Brett, das auf dem Haufen in der Ecke liegt.

Auch schön, aber in den ersten Tagen noch ein bisschen beängstigend war es, wie alle Menschen einen angucken und begrüßen. Oder auch die Kinder, die auf der Straße in Scharen hinter dir herlaufen. Zwischendurch gibt es dann immer witzige Situationen. Wir suchten Curry als Gewürzmischung. Es dauerte schon eine Ewigkeit, bis die Kinder und Männer verstanden hatten, dass wir ein Gewürz meinten. Dann haben uns eine Horde Kinder und ein paar Erwachsene quer und hin und her, durch die Straßen geführt, um für uns nach den Gewürzen zu suchen. Nach fünf Läden an denen uns keiner verstanden hat, obwohl sogar die Kinder ungefähr erklärt haben, was wir wollten sind wir wieder in Richtung „Zu Hause“ gegangen. Und was war zwei Läden neben unserem Haus? Genau das, was wir gesucht hatten.

Mir fiel auf: Meistens wollen die Leute, die dich auf der Straße ansprechen, gar nicht großartig reden, sondern nur fragen, wie es dir geht, vielleicht noch wie du heißt und gehen dann schon weiter. Das war am Anfang noch interessant, finde Ich mittlerweile aber ein bisschen nervig.

Dann war Muharram und Wanja ist mit Salam und noch jemandem zum Festival gegangen. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich nicht das Gefühl, dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht mit gehe, sondern zuhause bleibe und vielleicht mal aufs Dach gehe, sonst aber nichts Besonderes mache. Wäre es nicht erst der zweite Tag gewesen, wäre ich bestimmt mitgekommen, aber eine Stunde zu Fuß und zu einem Festival musste am zweiten Tag noch nicht sein. Es klingt fast albern, aber der Blick von meinem Fenster und ein paar Schritte aus dem Hauseingang waren für mich aufregend genug.

Ich hätte es nach dem ersten Tag echt nicht gedacht, aber ich bin dann doch schon ziemlich in das Geschehen im Viertel „reingekommen“. Es wurde ja oft berichtet, dass einem die Kinder meist auch sofort vertrauen und einen umarmen oder anderweitig sehr schnell vertrauen in einem finden. Einerseits ist das bestimmt so, weil man ein Europäer ist, der hier ziemlich auffällt und natürlich etwas Besonderes ist, aber Ich habe gemerkt, dass die Inder auch allgemein sehr eng im Umgang mit Freunden oder Familie sind. Zum Beispiel mit körperlicher Nähe. Das ist bei den Mädchen hier in Indien natürlich eine schwierige Sache als männlicher „Lehrer“, aber auch die sind genauso froh, wenn man da ist.

Das ist eine Sache, die sehr, sehr angenehm ist und die Ich nachdem Ich in die Stadt gezogen bin echt vermisst habe, da es bei uns im Dorf auch immer sehr eng war und man zum Beispiel beim Filmgucken auch Arm in Arm mit einem Mädchen oder Freund liegen konnte, mit dem man nicht unbedingt zusammen war. Das war dann in der Stadt sehr viel verklemmter und unpersönlicher, hat sich mit der Zeit aber auch gegeben. Deshalb hat sich der erste Tag echt sehr zum Positiven gewendet, da Ich am Morgen, an dem die Schule wieder los ging (der erste Tag an dem Ich mit den Kindern richtig zu tun hatte) erst sehr enttäuscht war und mich sehr alleingelassen gefühlt habe, da die Kinder zwar irgendwie auf einen zu kamen, aber nicht wirklich lang bei einem blieben und auch die Lehrer zuerst nicht wirklich mit einem redeten, sondern nur kurz „Good morning“ wünschten und einen danach nicht mehr beachteten. Am Ende wurde es vom Umgang, mit allen fast so, wie Ich mir die Atmosphäre in der Schule vorgestellt hatte und das machte mir letztlich doch ein gutes Gefühl.

Ich habe nun nach fast zwei Monaten sehr gemischte Gefühle. Einerseits gibt es Tage, an denen alles toll ist und Ich die Schule sehr mag und gern etwas damit zu tun habe. Gleichzeitig habe Ich aber auch oft das Gefühl, dass Ich noch mehr rumkommen will und nicht jeden Tag in einer Schule beziehungsweise am gleichen Ort verbringen will. Deswegen bin Ich mir noch leicht unsicher ob Ich auf lange Zeit hierbleiben möchte. Ich lasse mir und der Umgebung aber noch ein bisschen Zeit und freue mich darauf noch viele kleine, schöne Sachen hier, in Kolkata und in anderen Teilen des Landes zu entdecken.