Freiwillige

Unsere neuen Volontäre 2015

Gespeichert von Sebastian am
Stefan und Elias vor Ort in Howrah

 Hallo allerseits,

in den letzten Wochen hat sich rund um unser Projekt viel verändert. Altbekannte Gesichter sind verschwunden und neue Gestalten wandern jetzt durch die Räumlichkeiten an der Belilious Road. Diese Gestalten sind wir, die neuen Volontäre für die nächsten 11 Monate. Ja es sind nur noch 11, da wir den ersten schon hinter uns haben. Kaum zu glauben: Wir sind schon sechs Wochen hier. In dieser Zeit ist so unglaublich viel passiert.

Um nichts zu vergessen, wollen wir chronologisch vorgehen. Als wir am 30. Juli von Zuhause, ich, Elias von Kassel und ich, Stefan von einem provinzialen Dorf bei Augsburg, Richtung Münchner Flughafen aufbrachen, stand uns ein Flug in eine neue Welt bevor - eine Reise in das Ungewisse. Unsere Familien, unsere Freunde alle haben wir für ein Jahr zurückgelassen.  

Gerade erst in Indien angekommen, haben wir unseren Inlandsflug verpasst. Daher mussten wir am Flughafen in Mumbai nächtigen. Zwar verspätet, aber nicht weniger aufgeregt kamen wir dann morgens um 8 Uhr in Kalkutta an. Dort nahmen uns Leon und Lukas, unsere Vorgänger, herzlich in Empfang. Die erste Taxifahrt durch Kalkutta war ein bewegendes Erlebnis. Selbstverständlich hat man von der Armut in dieser Region schon tausende Male gehört. Als wir allerdings die Blechhüten, den überall rumliegenden Müll bzw. die Kinder mit zerlumpten Kleidern mit eigenen Augen sahen, war dies dennoch schockierend.

Umso eindrucksvoller war der Empfang im Hostel. Gerade erst einen halben Fuß über die Türschwelle gesetzt, wurden wir schon lautstark von den ersten Kindern empfangen. „Hello! How are you? What’s your name?“ hallte es aus jeder Ecke. Nach wenigen Minuten kamen bereits die ersten kleineren Jungs und nahmen uns in den Arm. Allgemein waren wir sehr positiv überrascht, wie aufgeschlossen die Kinder sind. Es ist grandios jeden Tag zu erleben, welch wunderbare Atmosphäre in unserem Projekt geschaffen wurde.

Gleich an unserem dritten Tag waren wir auf einem Ausflug mit den Kindern. Die alljährliche Bootstour auf dem Hooghly galt als Verabschiedung von Leon und Lukas, sowie als Begrüßung für uns. Dabei haben wir auch Jonathan das erste Mal getroffen. Er sollte noch drei Wochen mit uns verbringen dürfen bis er, nach zweijährigem Aufenthalt in Howrah, wieder Richtung Heimat flog. Für die Eingewöhnung hätte uns nichts Besseres passieren können, da Jonathan uns in jeglicher Hinsicht unterstützt hat. Gerade bezüglich unserem Unterricht, den wir bereits nach wenigen Tagen selbst halten sollten, konnte er uns jederzeit hilfreiche Tipps geben.

Von der Begeisterung für den Fußball waren wir zunächst überrascht. Inder sind ja eigentlich bekannt für ihre Liebe zu Cricket und Hockey. Doch nahezu alle aus unserem Projekt, von Klein bis Groß, nehmen samstags und sonntags am Fußballtraining teil. Auch im Belilious Park, den wir dreimal die Woche besuchen, wird immer gekickt. Da wir beide selbst totale Fußballfanatiker sind und auch im Verein gespielt haben, kommt uns das sehr gelegen. Mittlerweile unterstützen wir den Trainer mit eigenen Übungen und vertreten ihn im Falle seiner Abwesenheit.

Beim Tanzen sind die Kinder mit nicht weniger Herzblut dabei. Jeden Sonntag fährt einer von uns mit ihnen nach Kalkutta, wo sie unterrichtet werden. Unter der Woche üben wir mit ihnen abends, wenn sie von der Schule kommen. Auch wenn es organisatorisch nicht immer leicht ist (für den Ausflug nach Kalkutta müssen Autos organisiert werden und unter der Woche haben wir abends wenig Zeit), ist es den Aufwand auf jeden Fall wert.

Außerhalb unserer Arbeit haben wir auch schon einiges erlebt. Wenn wir durch die Straßen laufen, schauen uns von drei Leuten gefühlt vier Personen komisch an. Als Weiße sind wir hier einfach eine Attraktion. Jeder mustert uns amüsiert oder brüllt uns einen Spruch zu, Kinder geben uns die Hand und Vermögendere fragen uns nach einem Foto mit ihnen. Auch mit Taxifahrern, die uns permanent übers Ohr hauen wollen, mussten wir viel diskutieren. Irgendwie kamen wir aber immer zu einem vernünftigen Preis von A nach B.

Am Donnerstag haben wir immer frei. Da heißt es für uns meistens ausschlafen, frühstücken und dann ab nach Kalkutta. Die Stadt zu entdecken macht total viel Spaß, auch wenn wir meist eher nach ruhigeren Plätzen suchen. Von denen gibt es in der Millionenstadt wahrlich nicht zu viele. Doch in den großen Parks, Tempeln oder Kirchen findet man immer für ein paar Minuten Ruhe. Dort tanken wir Kraft für die ganze Woche.

Denn auch wenn nicht immer alles einfach ist,  genießen wir gerade unseren Alltag sehr. Ob Unterrichten, Fußballspielen oder Tanzen, die Kinder sind immer gut gelaunt und stecken uns damit an. Auch die Arbeit mit dem Management macht viel Spaß. Die Abwechslung und die verantwortungsvollen Aufgaben machen unseren Job einzigartig und spannend.

Start in Kolkata - Unsere Freiwilligen 2014

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Lukas und Leon, unsere Freiwilligen vor Ort

Wir, die zwei neuen Volontäre sind nun ein und halb Monate im Projekt und wir haben uns gut eingelebt. Nach der Schule stand für uns beide fest, dass es nach dem Abitur in die große weite Welt gehen soll. Über die entsende Organisation „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiner´s e.V.“ ist Lukas auf das H.E.L.G.O Projekt durch Zufall gestoßen. Leon kannte das Projekt von den Erzählungen seines großen Bruders Julius, der im Projekt vor 3 Jahren ebenfalls als Volontär tätig war. Uns beiden war es sehr wichtig, dass das Projekt der Hauptgrund für den Freiwilligen Dienst ist und nicht das Land. Wir sind sehr glücklich das wir hier sein können und froh diese wundervolle Arbeit mit den Kindern zu machen, auch wenn es manchmal große Hürden gibt. Wir freuen uns auf das bevorstehende Jahr und auf Erfahrungen die man alltäglich macht.

Bootsfahrt auf dem Hooghly zum Abschied

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 Zum Abschied von Benedikt, der das H.E.L.G.O. - Projekt in Howrah nun leider verlässt, haben wir am letzten Sonntag mit den Hosteljungen, unseren Coaching-Schülern und weiteren Kindern aus Tikiapara und Liluah auf dem Hooghly eine Bootsfahrt unternommen. Schon die Busfahrt zum Boot hat einige der Kleinen von ungefähr 70 teilnehmenden Kinder ins Staunen versetzt, da sie noch nie zuvor aus einem so großen Bus das Straßenleben beobachten, geschweige denn die Howrah-Bridge überqueren und den großen Hooghly sehen konnten. So hatte auch kaum ein Kind jemals zuvor ein Boot betreten.

In den über drei Stunden Bootsfahrt konnten die Kinder von der New Bridge bis  zur Bally Bridge alles entlang und auf dem Hooghly bestaunen. Anfänglich saßen sie brav und ruhig auf den Bänken und erst mit der Zeit trauten sie sich zu bewegen und an der Reling zu stehen. Schlussendlich wagten es jedoch alle fleißig umherzulaufen und zu spielen. Um den Hunger aller Kinder zu stillen, wurde das beliebte Gericht „Biryani“ serviert und später konnten sich die Kinder an erfrischenden Getränken erfreuen.

Der Ausflug war ein voller Erfolg und ein wunderbarer Abschied für Benedikt. Es ist kaum fassbar, dass ein ganzes Jahr schon vergangen ist. Dieses interessante, erfahrungsreiche, lehrreiche und unvergessliche gemeinsame Jahr ist wie im Flug vergangen. Ich, Benedikt, bin froh die Chance für dieses Jahr genutzt zu haben, bedanke mich bei allen Unterstützern und verabschiede mich von meiner Tätigkeit als Volontär beim H.E.L.G.O. - Projekt. Jonathan freut sich das Projekt noch ein weiteres Jahr unterstützen zu dürfen.

Treffen der ehemaligen Volontäre

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Gruppenbild der ehemaligen Freiwilligen

Am 22. September trafen sich in Hamburg (fast) alle ehemaligen Volontäre, die seit dem Jahre 2000 bei uns im Projekt gearbeitet haben.

Alle freuten sich auf das Wiedersehen und wir hatten einen regen Gedankenaustausch mit neuen Ideen, die sich aus den Gesprächen mit den "Experten" ergaben.

Bericht unseres „weltwärts“-Freiwilligen (2009/10) Simon Sperling nach einem Jahr Kalkutta

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Mein Jahr in Indien:

Spät abends kam ich zusammen mit meinem Mit-Freiwilligen Sebastian am Flughafen in Kalkutta an und wurde gleich von dem Wagen, der uns abholen sollte, überrollt ... Gott sei Dank nur emotional. Das Auto war nämlich vollgepackt mit Indern, die uns (bis auf einen), zwar noch nie gesehen hatten, uns aber trotzdem mit voller Freude Blumenkränze über den Kopf warfen und mit Rosen bestückten.

Verstörend ging es weiter, als das randvolle Vehikel in Richtung künftige Heimat brauste, denn Verkehrsregeln schien es hier nicht zu geben. So erfuhr ich z.B. gleich, dass das Rot der Ampeln lediglich der Straßenbeleuchtung und die durchgezogenen weißen Linien nur als Verzierungen auf dem sonst so monotonen Asphalt dienen. Das war allerdings noch harmlos im Vergleich zur Ankunft an der Projektstelle selbst. Nach dem Verlassen des Autos ging es nämlich direkt über die engen Gassen des Slums weiter, wo ich zahlreiche Kinderhände schütteln durfte, durch einen fast schon spaltartigen Hauseingang, der mich dann in ein dunkles geländerloses Treppenhaus führte, das zur Straße hin offen war und aus unbedecktem grauem Beton bestand. Einige Stufen später wurden wir dann vorbei an dem großen blauen HELGO NORTH POINT Schild und den Büroräumen der NGO zu unseren Zimmern geleitet. Weder die schlecht funktionierende Toilettenspülung noch die Vorstellung mit diversen insektenartigen Schlafgenossen das Bett teilen zu müssen, konnten an dem Gefühl von Zufriedenheit und Vorfreude etwas ändern, das mich nun überfiel: Der Zufriedenheit, nun endlich angekommen zu sein, und die Freude, diese komplett andere Welt, die ich bei meiner Ankunft eher als Zuschauer einer Fernsehdokumentation denn als interaktives Mitglied wahrgenommen habe, kennen lernen zu dürfen.

Nach kurzer musikalischer Unterbrechung meiner Tiefschlafphase durch das 04:00 Uhr-Gebet des benachbarten Muezzins, wurde ich am nächsten Morgen meinen 20 Mitbewohnern vorgestellt - bzw. sie stellten sich mir vor. Mit fünf indischen Kindern an jeder Hand und einer weiteren riesigen Packung Herzlichkeit wurden wir in einen der beiden Hostelräume geführt, die als Schlaf-, Spiel- und Studierzimmer dienen.

Es dauerte Tage meine Umwelt als tatsächliche Realität wahrzunehmen, Wochen um mich daran zu gewöhnen und Monate bis diese völlig neue Umgebung zum Alltag geworden war. Doch es passierte. Im fahrenden Bus wurde die Hitze zur Zudecke, der Lärm zur Gute-Nacht-Musik und die vielen Schlaglöcher zu Schlaflöchern, die mich sanft meinen Träumen entgegen wiegten. Genauso löste der Lungi immer mehr die Hose ab, die rechte Hand Messer und Gabel und die linke Hand das Toilettenpapier. Dass mich die Menschen auf der Straße anstarrten oder mir „Hey Großer“ hinterher riefen, bemerkte ich irgendwann gar nicht mehr. Und die Unbedarftheit der Touristen, die auf alle Standardabzocken hereinzufallen schienen, brachte mich zum Lachen und ich konnte mir nicht mehr vorstellen, dass das auch einmal bei mir gewirkt hat. (Bis mich Sebastian daran erinnerte, dass wir einmal dem Rikschafahrer den doppelten Preis gezahlt haben, weil er uns weisgemacht hatte, dass wir ja schließlich auch zwei Personen waren...). Auch die Kinder die uns am Anfang nur als „brother“ titulierten, wurden tatsächlich unsere kleinen Brüder.

Doch auch der Himmel der Euphorie, die mich die ersten Monate alles als wunderbar sehen ließ, klärte sich und all die Schwierigkeiten, denen man sich immer wieder aufs Neue stellen musste, erschöpften mich. Deshalb wusste ich gegen Ende des Jahres, obwohl der Gedanke die Kinder verlassen zu müssen, schmerzte, dass es Zeit war zu gehen. Wieder musste ich meine Familie und meine Heimat zurücklassen – nur dieses Mal war sie indisch.

Simon Sperling